Nikolaus Lenau „Abend ist’s die Wipfel wallen…” (1843)

  Abend ist’s, die Wipfel wallen,
  Zitternd schon im Purpurscheine,
  Hier im lenzergriffnen Haine
  Hör’ ich noch die Liebe schallen.

5 Kosend schlüpfen durch die Äste
  Muntre Vöglein, andre singen,
  Rings des Frühlings Schwüre klingen,
  Daß die Liebe ist das Beste.

  Wo die frischen Wellen fließen,
10 Trinken Vöglein aus der Quelle,
  Keins will unerquickt zur Stelle
  Seinen Tagesflug beschließen.

  Wie in’s dunkle Dickicht schweben
  Vöglein nach dem Frühlingstage,
15 Süß befriedigt, ohne Klage,
  Möcht’ ich scheiden aus dem Leben;

  Einmal nur, bevor mir’s nachtet,
  An den Quell der Liebe sinken,
  Einmal nur die Wonne trinken,
20 Der die Seele zugeschmachtet,

  Wie vor Nacht zur Flut sich neigen
  Dort des Waldes durst’ge Sänger;
  Gern dann schlaf’ ich tiefer, länger,
  Als die Vöglein in den Zweigen.

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