Nikolaus Lenau Dein Bild (um 1831)

  Die Sonne sinkt, die Berge glüh’n,
  Und aus des Abends Rosen
  Seh’ ich so schön dein Bild mir blüh’n,
  So fern dem Hoffnungslosen.

5 Strahlt Hesperus dann hell und mild
  Am blauen Himmelsbogen,
  So hat mit ihm dein süßes Bild
  Die Sternenflur bezogen.

  Im mondbeglänzten Laube spielt
10 Der Abendwinde Säuseln;
  Wie freudig um dein zitternd Bild
  Des Baches Wellen kräuseln! –

  Es braust der Wald, am Himmel zieh’n
  Des Sturmes Donnerflüge,
15 Da mal’ ich in die Wetter hin,
  O Mädchen, deine Züge.

  Ich seh’ die Blitze trunkenhaft
  Um deine Züge schwanken,
  Wie meiner tiefen Leidenschaft
20 Aufflammende Gedanken.

  Vom Felsen stürzt die Gemse dort,
  Enteilet mit den Winden,
  So sprang von mir die Freude fort
  Und ist nicht mehr zu finden.

25 Da bin ich, weiß nicht selber wie,
  An einen Abgrund kommen,
  Der noch das Kind der Sonne nie
  In seinen Schooß genommen.

  Ich aber seh’ aus seiner Nacht
30 Dein Bild so hold mir blinken,
  Wie mir dein Antlitz nie gelacht; –
  Will’s mich hinunter winken? –

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