Nikolaus Lenau Herbstentschluß (1830)

  Trübe Wolken, Herbstesluft,
  Einsam wandl' ich meine Straßen,
  Welkes Laub, kein Vogel ruft -
  Ach, wie stille! wie verlassen!

5 Todeskühl der Winter naht;
  Wo sind, Wälder, eure Wonnen?
  Fluren, eurer vollen Saat
  Goldne Wellen sind verronnen!

  Es ist worden kühl und spät,
10 Nebel auf der Wiese weidet,
  Durch die öden Haine weht
  Heimweh; - alles flieht und scheidet.

  Herz, vernimmst du diesen Klang
  Von den felsentstürzten Bächen?
15 Zeit gewesen wär' es lang,
  Daß wir ernsthaft uns besprächen!

  Herz, du hast dir selber oft
  Weh getan und hast es andern,
  Weil du hast geliebt, gehofft;
20 Nun ist's aus, wir müssen wandern!

  Auf die Reise will ich fest
  Ein dich schliessen und verwahren,
  Draußen mag ein linder West
  Oder Sturm vorüberfahren;

25 Daß wir unsern letzten Gang
  Schweigsam wandeln und alleine,
  Daß auf unserm Grabeshang
  Niemand als der Regen weine!

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