Nikolaus Lenau Mein Stern (1832)

  Um meine wunde Brust geschlagen
  Den Mantel der Melancholei,
  Flog ich, vom Lebenssturm getragen,
  An dir, du Herrliche, vorbei.

5 Vom Himmel deiner Augen stiegen
  Wie Engel Tränen niederwärts
  An deinen holdgerührten Zügen
  Und priesen mir dein gutes Herz.

  Und alle Welten um mich schwanden,
10 Mein Leben starrt’ in seinem Lauf,
  Im süßempörten Busen standen
  Die alten Götter wieder auf.

  Da riß der Sturm von dir mich wieder
  Hinaus in seine wüste Nacht,
15 Doch strahlt nun Frieden auf mich nieder
  Ein Stern mit ewig heller Pracht.

  Denn wie, vom Tode schon umfangen,
  Der Jüngling nach der holden Braut
  Die Arme streckt mit Glutverlangen
20 Und sterbend ihr ins Auge schaut:

  So griff nach deinem holden Bilde
  Die Seele, schaut es ewig an,
  Sieht nichts vom trüben Erdgefilde,
  Fühlt nicht die Dornen ihrer Bahn.

25 Entriss’ auch einst der Tod mir strenge,
  Was mir das Leben Liebes gab;
  Er nehm’ es hin! doch Eines ränge –
  Ich ränge kühn dein Bild ihm ab.

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