Nikolaus Lenau Neid der Sehnsucht (1828)
Die Bäche rauschen
Der Frühlingssonne,
Hell singen die Vögel,
Es lauschen die Blüten,
5 Und sprachlos ringen
Sich Wonnedüfte
Aus ihrem Busen;
Und ich muß trauern,
Denn nimmer strahlt mir
10 Dein Aug, o Geliebte! --
Nicht über den Wellen
Des Ozeanes,
Nicht über den Sternen
Und nicht im Lande
15 Der Phantasien
Ist meine Heimat;
Ich finde sie nur
In deinem Auge!
Was je mir freudig
20 Beseelte das Leben,
Was nach dem Tode
Mir weckte die Sehnsucht,
Entschwundner Kindheit
Fröhliche Tage
25 Und meiner Jugend
Himmlische Träume,
Von meinen Toten
Trauliche Grüße
Und meiner Gottheit
30 Stärkenden Anblick,
Das alles find ich
In deinem Auge,
O meine Geliebte!
Nun bist du ferne,
35 Und bitter beneiden
Muß jeden Stein ich
Und jede Blume,
Beneiden die kalten
Menschen und Sterne,
40 An die du vergeudest
Die süßen Blicke.

Bibliographische Daten
Nikolaus Lenau (1802-1850)
Neid der Sehnsucht
Die Bäche rauschen …
1828
Spätromantik
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