Nikolaus Lenau Winternacht (1830)
I
Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
5 Nur fort, nur fort, nur immerfort geschritten!
Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.
10 Frost! Friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heiß bewegte, wilde!
Daß einmal Ruh mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde.
II
15 Dort heult im tiefen Waldesraum
Ein Wolf; -- wie's Kind aufweckt die Mutter,
Schreit er die Nacht aus ihrem Traum
Und heischt von ihr sein blutig Futter.
Nun brausen über Schnee und Eis
20 Die Winde fort mit tollem Jagen,
Als wollten sie sich rennen heiß:
Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen!
Laß deine Toten auferstehn
Und deiner Qualen dunkle Horden!
25 Und laß sie mit den Stürmen gehn,
Dem rauhen Spielgesind aus Norden!

Bibliographische Daten
Nikolaus Lenau (1802-1850)
Winternacht
Vor Kälte ist die Luft erstarrt, …
1830
Spätromantik
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