Theodor Fontane Herr Seydlitz auf dem Falben (1846)
Herr Seydlitz auf dem Falben
Sprengt an die Front heran,
Sein Aug' ist allenthalben,
Er mustert Roß und Mann,
5 Er reitet auf und nieder
Und blickt so lustig drein,
Da wissen's alle Glieder:
Heut wird ein Tanzen sein.
Noch weit sind die Franzosen;
10 Doch Seydlitz will zu Ball,
Die gelben Lederhosen,
Sie sitzen drum so prall;
Schwarz glänzen Hut und Krempe,
Im Sonnenschein zumal,
15 Und gar die blanke Plempe
Blitzt selbst wie Sonnenstrahl.
Sie brechen auf von Halle,
Die Tänzer allbereit.
Bis Gotha hin zu Balle
20 Ist freilich etwas weit.
Doch Seydlitz, vorwärts trabend,
Spricht: »Kinder, wohlgemut!
Ich denk', ein lust'ger Abend
Macht alles wieder gut.«
25 Die Nacht ist eingebrochen;
Zu Gotha, auf dem Schloß,
Welch Tanzen da und Kochen
In Saal und Erdgeschoß!
Die Tafel trägt das Beste
30 An Wein und Wild und Fisch –
Da, ungebetne Gäste
Führt Seydlitz an den Tisch.
Die Witz- und Wortspieljäger
Sind fort mit einem Satz,
35 Die Schwert- und Stulpenträger,
Sie nehmen hurtig Platz;
Herr Seydlitz bricht beim Zechen
Den Flaschen all den Hals,
Man weiß, das Hälsebrechen
40 Verstand er allenfalls.
Getrunken und gegessen
Hat jeder, was ihm scheint,
Dann heißt es: »Aufgesessen
Und wieder nach dem Feind!«
45 Der möchte sich verschnaufen
Und hält bei Roßbach an,
Doch nur, um fortzulaufen,
Mit neuen Kräften dann. –
Das waren Seydlitz' Späße;
50 Bei Zorndorf galt es Zorn,
Als ob's im Namen säße,
Nahm man sich da aufs Korn;
Das slawische Gelichter –
Herr Seydlitz hoffte traun
55 Noch menschliche Gesichter
Aus ihnen zuzuhaun.
Des Krieges Blutvergeuden,
Die Fürsten kriegten's satt;
Nur Seydlitz wenig Freuden
60 An ihrem Frieden hat.
Oft jagt er drum vom Morgen
Bis in die Nacht hinein,
Es können dann die Sorgen
So schnell nicht hinterdrein.
65 Er kam nicht hoch zu Jahren,
Früh trat herein der Tod:
Könnt' er zu Rosse fahren,
Da hätt's noch keine Not;
Doch auf dem Lager, balde
70 Hat ihn der Tod besiegt,
Der draußen auf der Halde
Noch lang ihn nicht gekriegt.

Bibliographische Daten
Theodor Fontane (1819-1898)
Herr Seydlitz auf dem Falben
Herr Seydlitz auf dem Falben …
1846
Realismus
« Friedrich Rückert: Du meine Seele, du mein Herz
» Friedrich von Hardenberg Novalis: Lobt doch unsre stillen Feste
Neuen Kommentar hinzufügen
Die Technik der Kommentarfunktion "DISQUS" wird von einem externen Unternehmen, der Big Head Labs, Inc., San Francisco/USA., zur Verfügung gestellt, die Moderation der Kommentare liegt allein bei Lyrik123.de. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.