Wilhelm Müller Die Brautnacht (1826)

  Es hat geflammt die ganze Nacht
  Am hohen Himmelsbogen,
  Wie eines Feuerspieles Pracht
  Hat es die Luft durchflogen.

5 Und nieder sank es tief und schwer
  Mit ahnungsvoller Schwüle,
  Ein dumpfes Rollen zog daher
  Und sprach von ferner Kühle.

  Da fielen Tropfen warm und mild,
10 Wie lang erstickte Tränen;
  Die Erde trank, doch ungestillt
  Blieb noch ihr heißes Sehnen.

  Und sieh, der Morgen steigt empor –
  Welch Wunder ist geschehen?
15 In ihrem vollen Blütenflor
  Seh ich die Erde stehen.

  O Wunder, wer hat das vollbracht?
  Der Knospen spröde Hülle
  Wer brach sie auf in einer Nacht
20 Zu solcher Liebesfülle?

  O still, o still, und merket doch
  Der Blüten scheues Bangen!
  Ein roter Schauer zittert noch
  Um ihre frischen Wangen.

25 O still, und fragt den Bräutigam,
  Den Lenz, den kühnen Freier,
  Der diese Nacht zur Erde kam,
  Nach ihrer Hochzeitfeier.

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